Der außerbörsliche Handel, auch Direkthandel, Telefonhandel oder OTC-Handel, bezeichnet finanzielle Transaktionen zwischen Marktteilnehmern, die nicht über die Börse abgewickelt werden. Der Begriff Telefonhandel ist auch heute noch in Gebrauch, auch wenn der Handel überwiegend auf elektronischem Wege abläuft. „OTC“ steht für den englischen Begriff over the counter, was mit ‚über den Tresen‘ übersetzt werden kann.

Formen

Man kann drei Formen des Direkthandels unterscheiden:

  • Den außerbörslichen Handel mit börsennotierten Wertpapieren. Diese Geschäfte werden als OTC-Geschäft abgewickelt, wenn die beteiligten Partner das Geschäft nicht publik machen wollen. Dies geschieht in stark steigendem Maße und in hohem Volumen in Dark Pools.
  • Den außerbörslichen Handel mit Finanzderivaten ohne standardisierte Spezifikationen (z. B. exotische Optionen, OTC-Optionen).
  • Den außerbörslichen Handel mit Wertpapieren, die zum Börsenhandel nicht zugelassen sind.

Börsen bieten nur standardisierte Produkte an, die aber häufig nicht dem Absicherungswunsch der handelnden Partner entsprechen. Möchte ein Unternehmen beispielsweise die Zinsänderungsrisiken einer Investition absichern, wird es nur in Ausnahmefällen an den Börsen ein dafür laufzeitmäßig passendes Instrument finden. Für einige der am Finanzmarkt gehandelten Produkte ist der OTC-Handel deswegen wichtiger als der Börsenhandel, z. B. Zertifikate.

Durch Online-Broker haben auch private Anleger die Möglichkeit, direkt Geschäfte mit einem Emittenten oder Makler durchzuführen. Der Anleger stellt hierbei via Internet eine Anfrage über den Preis zum angegebenen Finanzprodukt an seinen Online-Broker. Der Emittent teilt anschließend den verbindlichen Kauf- und Verkaufspreis für die angegebene Menge mit. Der Anleger muss sich daraufhin innerhalb von einigen Sekunden entscheiden, ob er dieses Geschäft zu diesen Bedingungen abschließen will oder nicht.

Vor- und Nachteile

Vorteile:

  • Einsparen der Börsengebühren, die bei einem Handel über die Börse fällig würden
  • Individuelle Modifikation des gehandelten Produktes
  • Schnelligkeit durch den direkten Handel zwischen beiden Handelspartnern
  • Geld-Brief-Spanne bietet attraktive Margen für insb. Investmentbanken insb. bei komplexen Produkten
  • Hohe Flexibilität ermöglicht schnelle Produktinnovationen

Nachteile:

  • Geringere Kontrolle und Aufsicht
  • Eventuell fehlende Referenzmärkte
  • Nur teilweise Angabemöglichkeiten von Limit-Orders (nur relevant für Privatanleger)
  • Keine Einsichtmöglichkeiten in ein Orderbuch, daher existiert nur eine geringere Markttransparenz
  • Zum Teil geringere Liquidität als beim Börsenhandel
  • Es entsteht Kontrahentenrisiko, das aber durch Aufrechnungsvereinbarungen und Sicherheiten sowie durch das Clearing über zentrale Kontrahenten begrenzt werden kann (insb. bei OTC-Derivaten relevant).

Umsatzvolumen

Der börsengebundene Derivathandel soll sich in den Jahren 1990 bis 2002 ungefähr verfünffacht haben bei zum Teil leichtem Rückgang in der Finanzkrise 2007–2009. Das Volumen der ausstehenden OTC-Derivate im Bereich der Zins- und Währungskontrakte ist in der Zeit 1990–2009 etwa um den Faktor 120 gestiegen. Zudem haben in den letzten 15 Jahren auch Kreditderivate erheblich an Bedeutung gewonnen. Das Volumen des OTC-Derivate-Markts beträgt 450 Billionen Dollar.

Organisierte „außerbörsliche“ Handelsplattformen

Es existieren organisierte Wertpapiermärkte außerhalb der klassischen Börsen, die auch zum OTC-Handel gezählt werden und sich selbst als „außerbörslich“ bezeichnen. Nach Definition des Begriffs Börse handelt es sich auch bei diesen organisierten Märkten um Börsen, die Bezeichnung „außerbörslich“ ist hier also widersprüchlich.

OTC-Handel im Strommarkt

Auf dem Strommarkt existiert neben dem Handel an der Strombörse ein großer außerbörslicher Markt, der insbesondere von den konventionellen Akteuren der Energiewirtschaft genutzt wird. Auf ihm werden sowohl kurzfristige Geschäfte auf dem Spotmarkt, als auch langfristige Geschäfte auf dem Terminmarkt angebahnt und abgeschlossen. Möchte ein Unternehmen am OTC-Strommarkt teilnehmen, muss zwingend ein Bilanzkreisvertrag abgeschlossen werden, da es bei jeder Transaktion nicht nur zur bilanziellen Transaktion, sondern auch tatsächlich zum physikalischen Stromfluss kommt. Überwiegend werden am OTC-Strommarkt Forward-Kontrakte mit physischer Erfüllungspflicht gehandelt.

Im Unterschied zum offenen Börsenhandel sind die gehandelten Preise und Volumina nur den Marktteilnehmern bekannt. Da kaum regulatorische Vorgaben außer den Vorgaben des BGB und der sogenannten "guten Sitten" bestehen, ist der OTC-Handel anfällig für Manipulationen. Diesen möchte die Europäische Kommission über die Bundesnetzagentur auf dem Energiemarkt mit den sogenannten REMIT-Vorgaben entgegenwirken, die für mehr Transparenz und Sicherheit im Strommarkt sorgen sollen.

Relevanz des OTC-Handels für die erneuerbaren Energien

Bedingt durch die Herkunft aus dem klassischen Stromhandel ist der OTC-Handel vor allem für große Kraftwerke interessant, die sich durch langfristige OTC-Verträge Preise und Abnahme ihrer Strommengen sichern. Die Erneuerbaren Energien haben durch ihre Einbindung in die Direktvermarktung und das Marktprämienmodell bereits relative Preissicherheit – allerdings nur so lange, wie die Förderung für die Anlagen läuft. Nach Ende des Förderungszeitraumes, in der Regel sind dies 20 Jahre, könnte der OTC-Handel auch für die Erneuerbaren Energien an Attraktivität zur langfristigen Absicherung zur Stromabnahme und Preisen gewinnen.

Vorgaben der G20 und europäische Gesetzgebung seit 2007

Der Derivatehandel wird in Europa durch die Europäische Union reguliert. Anlässlich der Finanzkrise, in der die Regulierungsbehörden nur unzureichend auf Verwerfungen im außerbörslichen Handel reagierten, haben die EU-Institutionen neue Gesetzesvorschläge gemacht. Erste Stellungnahmen der Europäischen Kommission bezogen sich dabei explizit auf die Beschlüsse der G20-Gipfel in Pittsburgh (2009) und Toronto (2010). In Pittsburgh wurde gefordert: „Alle standardisierten OTC-Derivate sollten an Börsen bzw. elektronischen Handelsplattformen gehandelt und spätestens Ende 2012 über eine zentrale Gegenpartei abgewickelt werden. OTC-Derivatekontrakte sollten an Transaktionsregister gemeldet werden. Für nicht zentral abgewickelte Kontrakte sollten höhere Kapitalanforderungen gelten.“ Die Europäische Kommission hat im September 2010 eine Verordnung zum Derivatehandel vorgeschlagen. Derzeit wird diese zwischen dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament verhandelt. EP-Berichterstatter ist Werner Langen.

Während die Mehrheit des Europaparlaments den Vorschlag der Kommission begrüßt, geht der Grünen Fraktion die Regulierung nicht weit genug. So sollen der Europäischen Wertpapieraufsichtsbehörde (ESMA) mehr Kompetenzen eingeräumt werden und der Derivatehandel grundsätzlich eingeschränkt werden.


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